Wunderschön liegt sie da, eingebettet zwischen malerischem Moor mit schönem Moorerlebnispfad und Wald, nur ein paar Gehminuten zum Kanal und dem wunderschönen Aussichtshügel der Esterweger Dose. Die Gedenkstätte KZ Esterwegen. Eines der Emslandlager. Den meisten Menschen wohl nur durch das Lied Die Moorsoldaten indirekt bekannt.
2-3x im Jahr fahre ich dorthin, seitdem ich in Ostfriesland wohne. Meist wandere ich nur drumherum. Immerhin gibt es mich kaum ohne Hunde, und Hunde dürfen in die Gedenkstätte nicht mit herein. Ich würde das auch selbst nicht wollen. Aber meist bin ich halt da, wenn es selbst unter den Alleebäumen im Auto zu warm wäre. Oder außerhalb der Saison, wo ich immer die Eintrittszeiten verpasse.
Ich war ja auch schon mehrmals drinnen. Kenne die Dauerausstellung. Bin über das Gelände spaziert. Trotzdem fühl ich immer wieder das Bedürfnis, nach einiger Zeit wieder dort hineinzugehen. Wider das Vergessen.
Nun würde ich sowieso nicht vergessen, Schule, Zuhause, das 3. Reich und die Gräuel sind mir von allen Seiten immer wieder vor Augen geführt worden. Die Tagebücher der Anne Frank, der SS-Staat von Eugen Kogon (das Buch steht tatsächlich immer noch griffbereit neben dem Sofa, mein persönliches Mahnmal), damit bin ich aufgewachsen. Die Tatsachen sind mir bekannt. Die werde ich wohl auch nie vergessen.
Aber etwas anderes möchte ich mir immer wieder vor Augen halten. Dass die Naziherrschaft eben nicht nur die Massenvernichtung der Juden war, nicht nur Ausschwitz, nicht nur der Krieg, nicht all diese großen, schrecklichen, dem eigenen Verständnis kaum greifbaren Greueln. Sondern dass es alles durchdrang. Nicht nur die Massen morbide anziehende Vernichtungsapparatur. Es fing nicht damit an. Es fing klein an. Vor der Haustür.
Die Emslandlager waren keine Vernichtungslager. Die Todeszahlen sind vergleichsweise gering. Aber in der Gedenkstätte KZ Esterwegen wird klar: es konnte jeden treffen. Ob Sie Kabarettist waren oder Pfarrer. Ob Sie homosexuell waren oder die falsche “Rasse” liebten. Ob Sie Betrug verübt hatten oder als Anwalt den Falschen verteidigt. Ob Sie als Soldat nicht mutig genug waren oder schlicht “entartete Kunst” machten. Und dann waren sie entmenschlicht. Eine gequälte Arbeitskreatur in der Öde des Moores, der Willkür ausgeliefert. Hungernd. Frierend. Zu Tode erschöpft.
Ich finde immer wieder etwas Neues in den zahlreichen Exponaten. Und in der letzten Zeit wird mir manchmal mulmig, weil ich immer mehr auch außerhalb höre/lese. In der Gegenwart.
Desto wichtiger wird es mir, regelmäßig dorthin zu gehen. Es zu unterstützen (der Eintritt ist frei, aber man freut sich über Spenden). Auch durch Bekanntmachung der Gedenkstätte.
Vorhanden von den ursprünglichen Gebäuden sind nur noch ein paar Fundamente. Das Gelände ist sehr schön angelegt, der Bereich der Wachkräfte ähnelt einem Park, der eigentliche Lagerbereich ist mit schroffen Lavagestein aufgeschüttet worden, die Barracken mit Baumgruppen nachempfunden. Der Gegensatz ist krass, symbolisch, schlicht und eindrucksvoll.
Der Blick schweift raus zum Grün des Waldes und eigentlich wirkt alles sehr friedfertig. Wie mögen sie sich gefühlt haben, die, die unter unmenschlichen Bedingungen Schwerstarbeit im Moor verrichtet haben?
Realitätscheck. Wie gut wir es haben. Und wie wichtig es ist, dass sowas nie wieder passieren kann.
Nach dem Lagerbesuch gehe ich ins winzige angegliederte Kloster. Nein. Ich bin nicht gläubig. Und schon gar nicht katholisch. Aber die Ruhe dort, das stille Gedenken bildet für mich den Abschluss. Auch die Gedenkräume sind schlicht, schmucklos, einfach. Wie die Gegend. Und die Gedenkstätte. Ich stöbere ein bisschen in der Bibel. Spreche ein paar Worte mit der unaufdringlichen Nonne vom Dienst. Und dann bin ich wieder bereit für das Draußen. Und gestärkt mit dem Nie Wieder!
Gegen das Vergessen! Und wehret den Anfängen. Sie sind längst wieder da. Und das macht Angst.
Neben dem Gelände hab ich diesmal auch ein paar Tafeln und Exponate aufgenommen. Wer mag, findet sie in Kürze auf Instagram unter #KZEsterwegen. Nicht für Likes. Sondern weil Sie vielleicht teilnehmen mögen am nicht vergessen.
Und solche Gedenkstätten unterstützen möchten. Die kleinen, leisen. Und sei es nur durch das Aufmerksammachen auf sie. Weil es wichtiger ist denn je.